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AGB in gewerblichen Mietverträgen: Zur Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen

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18 Mai, 2016
AGB in gewerblichen Mietverträgen: Zur Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen

Der BGH hat sich vorliegend mit der Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen durch AGB in einem gewerblichen Mietvertrag auseinandergesetzt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten rückständige Gewerberaummiete. Auf die mtl. im Voraus zu zahlende Bruttomiete von rd. 8.100 € (Grundmiete sowie Nebenkostenvorauszahlung und Umsatzsteuer) zahlte die Beklagte im August 2009 nur rd. 4.600 €. Wegen eines Wassereintritts durch das Dach in den Personalraum machte sie eine seit September 2005 aufgelaufene Minderung der Miete i.H.v. rd. 1.700 € geltend. Außerdem rechnete sie mit Gegenansprüchen wegen behauptet fehlerhafter Nebenkostenabrechnungen für 2005 bis 2009 i.H.v. rd. 1.400 € sowie Regressansprüchen wegen des über ihren Zähler abgerechneten Allgemeinstroms für Flur, Keller und Heizung i.H.v. brutto rd. 400 € auf. In den Monaten September bis Dezember 2009 zahlte die Beklagte jeweils nur rd. 8.000 €, weil die Miete wegen des Wassereintritts um mtl. rd. 100 € gemindert sei.
§ 8 des formularmäßig abgeschlossenen Mietvertrags lautet:
„Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind. Die Aufrechnung oder die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist nur zulässig, wenn der Mieter seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat.
Die Erstattung etwaiger im Wege der Aufrechnung geltend gemachter Gegenforderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis erfolgt in mtl. Teilbeträgen, die 30 Prozent der jeweiligen Monatsmiete nicht übersteigen dürfen.
Eine Aufrechnung gegen Nebenkosten oder eine Minderung der Nebenkosten durch den Mieter ist unzulässig.“
AG und LG gaben der auf Zahlung von rd. 4.000 € nebst Zinsen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Das LG geht zwar zutreffend davon aus, dass die Mietminderung bei der Geschäftsraummiete anders als bei der Wohnraummiete eingeschränkt werden kann. Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu § 536 Abs. 4 BGB. Eine solche Einschränkung ist grundsätzlich auch formularmäßig möglich. Gleiches gilt grundsätzlich für eine formularmäßige Einschränkung der Aufrechnung auf unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Gegenforderungen. Entgegen der Ansicht des LG hält die Bestimmung in § 8 Ziffer 1 des Mietvertrags jedoch einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand.
Nach dem Wortlaut der streitigen Klausel ist eine Minderung der Miete ebenso wie die Aufrechnung und die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Miete ausgeschlossen. Ausgenommen hiervon sind Forderungen des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Ferner sind ausgenommen andere Forderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind. Die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen beschränkt sich also ausdrücklich auf Forderungen „aus dem Mietverhältnis“. In Bezug auf nicht aus dem Mietverhältnis stammende Forderungen bleibt es klauselgemäß bei dem uneingeschränkten Aufrechnungsverbot.
Danach erlaubt die Klausel keine Aufrechnung gegen die Miete mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aus einem außerhalb des Mietvertrags stehenden Rechtsverhältnis. Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 BGB nicht stand. Nach § 309 Nr. 3 BGB ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Diese Bestimmung ist zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil die Beklagte die Räume als Unternehmerin gemietet hat (§ 310 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 BGB). Sie stellt aber eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots des § 307 BGB dar, da es sich bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handelt, die auch im Geschäftsverkehr nicht hingenommen werden kann.
Der danach inhaltlich an § 309 Nr. 3 BGB auszurichtenden Inhaltskontrolle hält das in § 8 Ziffer 1 des Mietvertrags geregelte Aufrechnungsverbot nicht stand, indem es die Zulässigkeit der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen auf solche aus dem Mietverhältnis beschränkt. Eine derartige Verkürzung der Gegenrechte des Beklagten benachteiligt diesen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Der Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht.
Zwar ist, wenn sich eine Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt, die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils rechtlich unbedenklich. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen ist inhaltlich derart eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft, dass diese bei einem Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. Gleiches gilt für die mit gleicher Zielrichtung in einem einheitlichen Satz vereinbarten grundsätzlichen Verbote der Aufrechnung, der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und der Berufung auf eine Minderung der Miete.
(BGH 6.4.2016, XII ZR 29/15)