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Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter auf Grundlage eines gewinnunabhängigen Zahlungsversprechens

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6 Sep, 2018
Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter auf Grundlage eines gewinnunabhängigen Zahlungsversprechens

Der Sachverhalt:
Die E. Gesellschaft mbH (Schuldnerin) gab eine kostenlose Zeitung heraus. Zur Deckung ihres Kapitalbedarfs bot sie privaten Anlegern seit Ende der 90er Jahre die Möglichkeit, sich mit einer Einlage als stille Gesellschafter zu beteiligen. Die jeweiligen Vereinbarungen bezeichnete die Schuldnerin als „Gesellschaftsvertrag zum Medienbrief Nr. _“. Sie versprach den Anlegern in den Medienbriefen, diesen einen als „Vorabvergütung“ bezeichneten jährlichen Zins auf die Einlage zu bezahlen. Der in den jeweiligen Medienbriefen genannte Zinssatz schwankte zwischen 4,75 und 6,25 Prozent. Seit dem Jahr 2001 wiesen die Handelsbilanzen der Schuldnerin stets einen Jahresverlust aus. Die Einlagen neu beitretender Gesellschafter verwendete die Schuldnerin in der Art eines sog. Schneeballsystems für Auszahlungen an die stillen Gesellschafter sowie zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs.

Die Beklagte erwarb in der Zeit zwischen dem 8.8.2008 und dem 30.4.2013 insgesamt 28 Medienbriefe zu je 5.000 €. Die jeweiligen Medienbriefe enthielten stets gleichlautende Bestimmungen. Diese sahen u.a. folgendes vor:

„§ 3 Vergütung
Als Vorabvergütung zahlt der Verlag an den stillen Gesellschafter _ % (in Worten: _ Prozent) pa. Die Zahlung erfolgt jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember eines jeden Jahres.

§ 4 Gewinn- und Verlustverteilung
Die Gewinn- und Verlustverteilung wird wie folgt vereinbart:
a) Bemessungsgrundlage ist das handelsrechtliche Jahresergebnis vor Ertragsteuern nach Abzug der an die stillen Gesellschafter gezahlten Vorabvergütungen zum Bilanzstichtag.
b) Von dem sich ergebenden Gewinn entfällt auf jeden einzelnen stillen Gesellschafter der Teil, der sich aus dem Verhältnis seines Anteils zu den gesamten stillen Gesellschaftern ergibt. Sollte sich das stille Gesellschaftsverhältnis nicht über das gesamte Jahr erstrecken, erhält er seinen Anteil für jeden vollen Zinstag anteilig.“

Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte zwischen dem 1.7.2010 und dem 27.12.2012 als Vorabvergütungen insgesamt rd. 20.300 €. Hiervon führte die Schuldnerin für die Beklagte als Abgeltungssteuer einen Betrag von rd. 4.900 € an das Finanzamt ab. Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 23.1.2014 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 18.3.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5.9.2014 auf, die Vorabvergütungen einschließlich der abgeführten Abgeltungssteuer i.H.v. rd. 20.000 € zu erstatten. Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger Klage auf Zahlung von 20.000 € nebst Zinsen.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Urteile von OLG und LG auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Rückgewähranspruch gem. § 143 Abs. 1 InsO zu, weil die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO nicht erfüllt sind.

Bei einer Leistung ohne Rechtsgrund liegt eine die Zuwendung ausgleichende Verpflichtung des Empfängers im Allgemeinen vor, wenn dem Schuldner ein (bereicherungsrechtlicher) Rückforderungsanspruch hinsichtlich seiner Leistung zusteht. Ebenso ist eine Leistung entgeltlich, wenn hinsichtlich der auf vertraglicher Grundlage erfolgenden Vermögensverlagerung auf Dritte ein Rückforderungsanspruch des Schuldners besteht. Auszahlungen an einen stillen Gesellschafter, mit denen nach einer Kündigung der Gesellschaftsbeteiligung die Einlage des stillen Gesellschafters zurückgewährt wird, sind entgeltlich, soweit ein Auseinandersetzungsguthaben des stillen Gesellschafters besteht. Zahlungen an einen stillen Gesellschafter, die auf die Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters gem. §§ 231, 232 HGB erfolgen, sind entgeltlich, soweit ein auf den stillen Gesellschafter entfallender Gewinnanteil tatsächlich erzielt worden ist oder der Gesellschaft für überzahlte Gewinne bereicherungsrechtliche oder vertragliche Rückzahlungsansprüche gegen den stillen Gesellschafter zustehen. Hingegen sind Zahlungen auf Scheingewinne unentgeltlich, wenn der Schuldner wusste, dass kein Anspruch auf Auszahlung eines Gewinns bestand.

Auch wenn die Gesellschaft keine Gewinne erzielte, sind über die Regelung der §§ 231, 232 HGB hinaus Zahlungen an die stillen Gesellschafter zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Solche Ausschüttungen können abweichend von der gesetzlichen Regel in der Weise vereinbart werden, dass dem stillen Gesellschafter eine feste Verzinsung seiner Einlage versprochen wird, die unabhängig davon ist, ob der jährliche Gewinn zur Deckung des garantierten Betrages ausreicht oder ob überhaupt Gewinn erzielt wird. Sie gehen damit letztlich zu Lasten des Kapitals. Sie sind entgeltlich, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen. Danach handelt es sich bei den angefochtenen Zahlungen um eine entgeltliche Leistung der Schuldnerin. Die Schuldnerin hat mit den Zahlungen weder eine Einlage zurückgewährt noch Scheingewinne gezahlt, sondern ihre Verpflichtung aus § 3 des Gesellschaftsvertrags erfüllt.

Die an die Beklagte gem. § 3 des Gesellschaftsvertrags gezahlten Vorabvergütungen stellen eine Gegenleistung für die Einlage der stillen Gesellschafter dar, die in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals geht. Dies folgt aus einer Auslegung des Gesellschaftsvertrags. § 3 des Gesellschaftsvertrags enthält einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters. Dies ergibt sich aus den gewählten Formulierungen und dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen. Der Anspruch auf Zahlung einer Vorabvergütung war auch wirksam und durchsetzbar. Der in Form einer stillen Gesellschaft erfolgte Beitritt der Beklagten zur Schuldnerin ist wirksam. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Schuldnerin ein sog. Schneeballsystem betrieb.

(BGH 5.7.2018, IX ZR 139/17)