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Schutzumfang einer Kollektivmarke im Hinblick auf geographische Herkunftsangabe

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17 Okt, 2019
Schutzumfang einer Kollektivmarke im Hinblick auf geographische Herkunftsangabe

Zwar dürfen Herkunftsangaben und beschreibende Bezeichnungen, die Inhalt einer Kollektivmarke sind, auch von Personen verwendet werden, die nicht Inhaber der Kollektivmarke oder dessen Mitglieder sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Benutzung nicht gegen die guten Sitten bzw. die anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe verstößt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein wirtschaftlicher Verein aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, dem als bäuerlicher Erzeugergemeinschaft rund 1.450 Fleisch und Fleischwaren produzierende Mitgliederbetriebe angehören. Sie beliefern Metzgereien und Feinkostläden. Weiter betreibt der Kläger neben dem Onlinehandel auch einige Verkaufsstände im Raum Hohenlohe, in Stuttgart sowie in Berlin. Für ihn sind seit 2012 die deutschen Wortmarken „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ als geografische Kollektivmarken eingetragen.

Der Markenschutz diene demnach „in erster Linie zur Sicherstellung der hohen Qualität und damit dem Schutz der Verbraucherschaft vor minderwertiger Nachahmung“. Den Mitgliedern wird das Recht, die Kennzeichen zu nutzen, eingeräumt, wenn sie sich an die sog. Erzeugerrichtlinien halten. Die Bezeichnungen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ sind nicht auf Grundlage der EU-Verordnung Nr. 1151/2012 als geschützte geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen eingetragen.

Die Beklagte ist ein Fleisch verarbeitendes Industrieunternehmen, ebenfalls mit Sitz im Landkreis Schwäbisch Hall. Sie bietet ihre Waren vor allem im Vorkassenbereich von Supermärkten mit über 16 Filialen und zwei Verkaufsständen im Raum Hohenlohe an. Sie ist kein Mitglied des Klägers und möchte bis heute auch nicht beitreten, da sie die Erzeugerrichtlinie des Klägers für nicht erforderlich hält, um die gewünschte Fleischqualität zu erzeugen.

Der Kläger hatte von der Beklagten u.a. verlangt, es zu unterlassen, die Bezeichnungen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ in der Werbung für Fleischwaren zu verwenden. Das LG hat die auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und der Klage weitestgehend stattgegeben.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen die verfolgten Unterlassungsansprüche zu. Sie ergeben sich aus § 97 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 14 Abs. 5 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 6 MarkenG, beziehen sich jedoch nicht gesondert auf die Benutzungsform des Herstellens.

Da die Beklagte nicht die in den Markensatzungen enthaltenen Bedingungen erfüllt hat, insbesondere kein Mitglied des Klägers war (§ 102 Absatz 3 i.V.m. § 102 Absatz 2 Nr. 5 MarkenG), war sie nicht zur Benutzung der beiden Kollektivmarken legitimiert. Weiter hatte die Beklagte eingeräumt, dass sie die Erzeugerrichtlinien, deren Befolgung nach der Markensatzung Voraussetzung für die Benutzung der Kollektivmarken ist, nicht vollständig eingehalten habe, da sie die Vorgaben teilweise nicht für erforderlich hielte, um die gewünschte Fleischqualität zu erzeugen. Zwar dürfen Herkunftsangaben und beschreibende Bezeichnungen, die Inhalt einer Kollektivmarke sind, auch von Personen verwendet werden, die nicht Inhaber der Kollektivmarke oder dessen Mitglieder sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Benutzung nicht gegen die guten Sitten bzw. die anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe verstößt.

Die Anwendung von § 100 Absatz 1 i.V.m. § 127 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung einer Kollektivmarke ist nicht durch die EU-Verordnung Nr. 1151/2012 gesperrt. Der Schutz von Marken, die eine geografische Herkunftsangabe enthalten, wird durch die Verordnung nicht berührt, wenn ein Antrag auf europaweiten Schutz der entsprechenden Herkunfts- oder Ursprungsbezeichnung erst nach Anmeldung der Marke gestellt wurde. Die Möglichkeit, geografische Herkunftsangaben als Kollektiv- oder Individualmarke zu schützen, steht mit dieser Maßgabe grundsätzlich selbständig neben dem Schutz nach der EU-Verordnung Nr. 1151/2012.

Ob die Benutzung eines Zeichens, das mit einer Kollektivmarke übereinstimmt, die ihrerseits eine geografische Herkunftsangabe und weitere beschreibende Angaben enthält, gegen die guten Sitten i.S.v. § 100 Abs. 1 MarkenG bzw. die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel i.S.v. Art. 29 Abs. 3 S. 2 RL (EU) 2015/2436 und § 23 Abs. 2 MarkenG verstößt, ist aufgrund einer Gesamtabwägung festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Verbraucher wegen der Unterscheidungskraft der Kollektivmarke zu der irrigen Auffassung gelangen können, dass der Dritte dem Kollektiv angehört oder die Waren jedenfalls gewissen Qualitätsanforderungen bzw. Produktionsmethoden entsprechen, die für Produkte, die mit diesen Kennzeichen versehen sind, üblich sind und daher erwartet werden. Weiter ist zu berücksichtigen, welche Anstrengungen der Dritte unternimmt, um sicherzustellen, dass die Verbraucher seine Waren von denjenigen des Markeninhabers unterscheiden. Schließlich darf eine Benutzung den Wert der Marke nicht dadurch beeinträchtigen, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt.

Nach diesen Maßstäben liegt eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung vor. Die Beklagte trachtet danach, sich den vom Kläger aufgebauten Ruf der Kollektivmarken werbewirksam zunutze zu machen. Es besteht die Gefahr, dass die angesprochenen Verbraucher die Produkte des Beklagten mit der Erzeugergemeinschaft gedanklich in Verbindung bringen. Somit war dem Hauptantrag – einzig mit Ausnahme der Benutzungsform des Herstellens – stattzugeben. Der Auskunftsanspruch des Klägers ergibt sich zudem aus § 242 BGB. Denn aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.

(OLG Stuttgart v. 25.7.2019 – 2 U 73/18)