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Kein Anspruch auf Zahlung freiwilliger Zuwendungen für ehemaliges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft

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5 Dez, 2019
Kein Anspruch auf Zahlung freiwilliger Zuwendungen für ehemaliges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft

Die Vereinbarung in dem Dienstvertrag des Vorstands einer Aktiengesellschaft, nach der der Aufsichtsrat ihm Sonderleistungen nach billigem Ermessen bewilligen kann, es sich dabei um freiwillige Zuwendungen handelt und aus ihnen kein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann, begründet keinen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung. Eine solche Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 (Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1) BGB stand.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit August 1998 als Arbeitnehmer für die beklagte Aktiengesellschaft tätig. Sein Arbeitsvertrag sah neben einer Grundvergütung auch die Zahlung eines Ermessensbonus vor. Zum 1.5.2006 berief die Beklagte den Kläger für zunächst zwei Jahre in ihren Vorstand. Dabei wurde neben dem Ruhen des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die materiellen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses weiter gelten sollten. Am 18.6.2010 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag als Mitglied des Vorstands, für das nach der Präambel mit Wirkung zum 1.5.2010 die neuen Bedingungen dieser Vereinbarung gelten sollten. Hinsichtlich der Vergütung enthielt der Vorstandsdienstvertrag folgende Regelungen:

„§ 3 Vergütung
(1) Das Vorstandsmitglied erhält für seine Tätigkeit ein Jahresbruttogrundgehalt in Höhe von EUR 325.000, welches in zwölf gleichen Monatsraten in Höhe von je EUR 27.083,33 brutto ausgezahlt wird.
(2) Die Angemessenheit des Jahresbruttogrundgehalts wird regelmäßig überprüft. Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat kraft Gesetzes berechtigt sein, die Vergütung des Vorstandsmitglieds zu reduzieren, sofern die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
(3) Der Aufsichtsrat kann nach billigem Ermessen und im Einklang mit geltendem Recht (insbesondere § 87 AktG, soweit anwendbar) zusätzlich zum Jahresbruttogrundgehalt Sonderleistungen, Gratifikationen oder ähnliches einmalig oder wiederholt gewähren. Bei diesen Sonderleistungen, Gratifikationen oder ähnlichem handelt es sich in jedem Falle um freiwillige Zuwendungen. Ein Rechtsanspruch kann aus ihnen nicht abgeleitet werden. Solche Sonderzuwendungen, Gratifikationen oder ähnliches können auch für außerordentliche Leistungen des Vorstandsmitglieds gewährt werden.“

Der Kläger erhielt auf der Grundlage vorangegangener Dienstverträge, die in dem maßgeblichen Punkt abweichend formuliert waren, für die Jahre bis 2009 jeweils variable Vergütungen in Form von Boni. Für das Jahr 2010 erhielt der Kläger eine Vergütung i.H.v. 1,2 Mio. US-Dollar, die sich aus der Jahresgrundvergütung i.H.v. 325.000 € und einem Bonus zusammensetzte. Der Kläger kündigte sein Dienstverhältnis mit der Beklagten am 31.3.2011 mit Wirkung zum 30.9.2011, um zu einer Wettbewerberin der Beklagten zu wechseln. Er legte sein Amt als Vorstandsmitglied der Beklagten vorzeitig nieder und wurde ab dem 20.5.2011 freigestellt.

Der Kläger hat zunächst im Wege der Stufenklage die Zahlung eines Bonus für 2011 begehrt. Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Bonus von mindestens 600.000 € begehrt hat, gab das OLG der Klage insoweit statt, als dass es die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 500.000 € verurteilte. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung für das Jahr 2011 zu.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vorstandsdienstvertrags vom 18.6.2010. Die Vereinbarung im Vertrag, nach der der Aufsichtsrat Sonderleistungen nach billigem Ermessen bewilligen kann, es sich dabei um freiwillige Zuwendungen handelt und aus ihnen kein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann, begründet keinen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung. Die Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB stand.

Rechtsfehlerfrei ist das OLG zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei § 3 Abs. 3 des Vorstandsdienstvertrags um eine von der Beklagten gestellte AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Zutreffend ist es entgegen der Revisionserwiderung zu dem Ergebnis gelangt, dass § 3 Abs. 3 des Vorstandsdienstvertrags dem Kläger weder einen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung noch auf eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats über die Gewährung einer solchen variablen Vergütung gewährt. Nach seinem Wortlaut gewährt § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vorstandsdienstvertrags dem Kläger unabhängig von dem Freiwilligkeitsvorbehalt in Satz 2 weder einen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung noch eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats darüber. Aus der Formulierung „kann gewähren“ ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Aufsichtsrat in seiner Entscheidung über die Gewährung von Sonderleistungen, Gratifikationen oder Ähnlichem frei sein soll. Die Sätze 2 und 3 des § 3 Abs. 3 verdeutlichen dies zusätzlich. In Satz 2 ist ausdrücklich geregelt, dass es sich bei Leistungen nach Satz 1 in jedem Fall um freiwillige Zuwendungen handelt und in Satz 3, dass aus ihnen ein Rechtsanspruch nicht abgeleitet werden kann.

Die Regelung gewährt auch keinen Billigkeitsanspruch auf eine Zuwendung. Da die Entscheidung über die Gewährung einer Sonderzuwendung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vorstandsdienstvertrags im Ermessen des Aufsichtsrats steht, schränkt es die Entscheidung des Aufsichtsrats über das „Ob“ einer zusätzlichen Vergütung nicht ein, dass die Sonderzuwendung nach billigem Ermessen gewährt werden kann. Etwas anderes ergibt sich entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang der vertraglichen Regelungen, nämlich der Formulierung „Jahresbruttogrundgehalt“ in § 3 Abs. 1 des Vorstandsdienstvertrags. Aus der Bezeichnung als Grundgehalt ist nicht zu schließen, dass die Parteien eine Gesamtvergütung („total compensation“) vereinbart haben, die sich aus der in § 3 Abs. 1 des Vorstandsdienstvertrags vereinbarten Fixvergütung und der in § 3 Abs. 3 Satz 1 des Vorstandsdienstvertrags vereinbarten Sonderleistung zusammensetzt. Aus dem Zusammenspiel von § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 des Vor-standsdienstvertrags ergibt sich vielmehr, dass zum Jahresbruttogrundgehalt weitere Sonderleistungen hinzukommen können, aber nicht hinzukommen müssen.

Ausgehend von diesem Verständnis der dienstvertraglichen Regelung, wonach bereits kein Anspruch auf Leistung einer variablen Vergütung im Vorstandsdienstvertrag oder auf eine Ermessensentscheidung vereinbart ist, hält die Annahme des OLG, der anspruchsausschließende Freiwilligkeitsvorbehalt in § 3 Abs. 3 des Vorstandsdienstvertrags sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da er den Kläger unangemessen benachteilige, so dass der Kläger einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung über eine Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011 habe, revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die AGB-rechtliche Wirksamkeitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB kann auf der Rechtsfolgenseite nicht dazu führen, dass ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung einer variablen Vergütung in Form des vom OLG zuerkannten Ermessensbonus entsteht, wenn die Klausel im Vorstandsdienstvertrag, dass die Leistung freiwillig ist und kein Rechtsanspruch besteht, unwirksam ist, § 306 Abs. 1 und 2 BGB. Würden § 3 Abs. 3 Satz 2 und 3 des Vorstandsdienstvertrags ersatzlos gestrichen, enthielte der Vertrag dennoch keinen Rechtsanspruch des Klägers auf eine variable Vergütung. § 3 Abs. 3 des Vorstandsdienstvertrags hält auch einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand. Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich weder aus der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

(BGH v. 24.9.2019 – II ZR 192/18)