news

Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis ist nicht wettbewerbswidrig

Kategorie

24 Nov, 2016
Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis ist nicht wettbewerbswidrig

Die sozialpolitischen Zwecken dienende Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG über die Erlaubnispflicht für Arbeitnehmerüberlassung weist weder in Bezug auf den Absatzmarkt der Arbeitsleistungen der Leiharbeitnehmer noch in Bezug auf den Beschaffungsmarkt der Arbeitskraft von Leiharbeitnehmern eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion auf. Die Verletzung eines Schutzgesetzes begründet einen zivilrechtlichen Abwehranspruch allein für denjenigen, dessen Schutz die verletzte Norm dienen soll, nicht hingegen den Schutz anderer Verleiher.

Der Sachverhalt:

Der Beklagte schließt mit den von ihm zur Verfügung gestellten Personen Verträge unter Einbeziehung seiner AGB, in denen er die Art, den Ort und die Zeit eines Messeeinsatzes sowie das Honorar regelt. Die Bestimmungen enthalten Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild des Messepersonals, zu dessen Verhalten und zu den Modalitäten der Abrechnung. Der Beklagte stellt den Ausstellern die Serviceleistungen in Rechnung und bezahlt dem Personal das vereinbarte Honorar. Im Gegensatz zur Klägerin verfügt er über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG).
Die Klägerin sah im Jahr 2012 in der vom Beklagten vorgenommenen Bereitstellung von Messepersonal an Aussteller eine unerlaubte und deshalb wettbewerbswidrige Arbeitnehmerüberlassung. Sie beantragte, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Arbeitsvermittlung in Form der Vermittlung von Standpersonal an Aussteller auf Messen gemäß seiner AGB zu betreiben, solange und soweit er nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG ist. Darüber hinaus nahm die Klägerin den Beklagten auf Auskunftserteilung sowie Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch und begehrte Schadensersatz.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:

Ein vom Beklagten bei seinem beanstandeten Verhalten nach dem Vortrag der Klägerin begangener Verstoß gegen die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG begründet weder einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch noch einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch der Klägerin. Damit sind auch die darauf bezogenen Folgeansprüche unbegründet.
Die sozialpolitischen Zwecken dienende Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG über die Erlaubnispflicht für Arbeitnehmerüberlassung weist weder in Bezug auf den Absatzmarkt der Arbeitsleistungen der Leiharbeitnehmer noch in Bezug auf den Beschaffungsmarkt der Arbeitskraft von Leiharbeitnehmern eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion auf. Unerheblich ist dabei, ob Leiharbeitnehmer als Verbraucher anzusehen sind. Denn eine verbraucherschützende Norm stellt nur dann eine Marktverhaltensregelung dar, wenn sie die Verbraucher als auf dem betreffenden Markt agierende Personen betrifft. Arbeitnehmer sind aber keine Teilnehmer am Absatzmarkt derjenigen Produkte oder Dienstleistungen, an deren Herstellung oder Erbringung sie mitwirken.
Ein Verstoß gegen die gesetzliche Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG kann auch nicht über das generelle Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen in § 3 Abs. 1 UWG sanktioniert werden. Ein Verstoß gegen eine reine Marktzutrittsregelung hat nämlich nicht zur Folge, dass die Marktteilnahme selbst unlauter ist. Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Normen, die nicht als Zuwiderhandlungen gegen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG zu sanktionieren sind, können nicht allein wegen ihrer Gesetzeswidrigkeit als nach § 3 Abs. 1 UWG unlauter angesehen werden.
Das Berufungsgericht hatte einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG verneint, weil es sich bei der gesetzlichen Erlaubnispflicht nicht um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handele. Diese Beurteilung ließ im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen. Die Klägerin machte insofern ohne Erfolg geltend, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG als Arbeitnehmerschutzvorschrift den erforderlichen Individualschutzcharakter aufweise. Die Verletzung eines Schutzgesetzes begründet vielmehr einen zivilrechtlichen Abwehranspruch allein für denjenigen, dessen Schutz die verletzte Norm dienen soll, nicht hingegen den Schutz anderer Verleiher wie der Klägerin.
Keiner Entscheidung bedurfte letztlich die zwischen den Parteien weiterhin streitige Frage, ob die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme eines Verstoßes des Beklagten gegen die in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG bestimmte Erlaubnispflicht rechtfertigten.
BGH 23.6.2016, I ZR 71/15