Die Entnahme von Guthaben auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten ist wie die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass das Guthaben keine Beteiligung des Kommanditisten, sondern schuldrechtliche Forderungen ausweist.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 24.4.2014 über das Vermögen der E. GmbH & Co. KG (Schuldnerin) am 1.7.2014 eröffneten Insolvenzverfahren. Bis zum Ausscheiden des Mitgesellschafters waren der Beklagte mit 77 % und sein Mitgesellschafter O mit 23 % als Kommanditisten an der Schuldnerin beteiligt. Ferner hielten der Beklagte und O im gleichen Verhältnis Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH der Schuldnerin. Nach § 10 des Gesellschaftsvertrags (GV) führte die Schuldnerin für die Gesellschafter jeweils ein festes Kapitaleinlagekonto (Kapitalkonto I), ein gesamthänderisch gebundenes Kapitalrücklagekonto (Kapitalkonto II), ein gesamthänderisch gebundenes Gewinnrücklagen- und Verlustvortragskonto (Kapitalkonto III) und ein variables Privatkonto (Verrechnungskonto). Für die nicht verzinslichen Kapitalkonten II und III ist eine Verrechnung mit Verlustanteilen ausdrücklich vorgesehen. Auf dem verzinslichen variablen Privatkonto sind hingegen insbesondere Gewinngutschriften und -entnahmen der jeweiligen Gesellschafter zu buchen.
Die Gesellschafterversammlung der Schuldnerin beschloss am 24.4.2013 nach Feststellung des Jahresabschlusses, den im Geschäftsjahr 2012 erwirtschafteten Jahresüberschuss i.H.v. rd. 520.000 € den Kommanditisten im Verhältnis ihrer Kommanditeinlagen auf ihren sog. Privat- oder Verrechnungskonten gutzuschreiben. Demzufolge wurde mit Wirkung zum 31.12.2012 dem Privatkonto des Beklagten ein Betrag von rd. 400.000 € gutgebracht, das sodann ein Guthaben von rd. 730.000 € auswies. Im Geschäftsjahr 2013 erwirtschaftete die Schuldnerin einen Jahresfehlbetrag i.H.v. rd. 480.000 €. Das Guthaben des Beklagten auf seinem Privatkonto belief sich zum 31.12.2013 auf rd. 780.000 €.
Durch notariellen Vertrag vom 11.9.2013 erwarb der Beklagte von O dessen Kommanditanteile an der Schuldnerin sowie dessen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH der Schuldnerin mit Wirkung zum 31.12.2013 für einen Gesamtkaufpreis von 250.000 €. Am 8.1.2014 entrichtete die Schuldnerin an den Beklagten zu Lasten seines Privatkontos eine Zahlung von 250.000 €, die er an O zur Tilgung des diesem geschuldeten Kaufpreises weiterleitete. Der Kläger focht die Auszahlung der Schuldnerin an.
LG und OLG gaben der auf Zahlung von 250.000 € gerichteten Klage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Gewinnauszahlung an den Beklagten i.H.v. 250.000 € unterliegt als Rückführung einer einem Darlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung.
Die Vorschriften in § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwerfen neben Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, dem insolvenzrechtlichen Nachrang und damit auch der Insolvenzanfechtung. Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus sonstigem Rechtsgrund herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet werden, weil eine Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt. Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus. Wird eine aus einem anderen Rechtsgrund als Darlehen herrührende Forderung eines Gesellschafters über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtsgeschäftlich oder faktisch zu Gunsten der Gesellschaft gestundet, handelt es sich grundsätzlich um eine darlehensgleiche Forderung.
Wird durch einen Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschaft ein Gewinnanspruch des Gesellschafters begründet, handelt es sich um eine darlehensgleiche Forderung, wenn die Gewinnforderung stehen gelassen wird. Der Gewinnanspruch des Gesellschafters aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft wird seinem Vermögen jedenfalls ab dem Zeitpunkt zugeordnet, in dem die Gesellschafterversammlung den Gewinnverwendungsbeschluss gefasst hat. Mit diesem Zeitpunkt ist der Gewinnanspruch als Gläubigeranspruch entstanden. Das entspricht den Differenzierungen, die zu § 58 Abs. 4 AktG und § 29 GmbHG zwischen dem allgemeinen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, dem mit dem festgestellten Jahresabschluss entstehenden Anspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns und dem Dividendenanspruch, der aus dem Gewinnverwendungsbeschluss beruht, getroffen werden.
Mit dem Ablauf des Geschäftsjahres wird ein mitgliedschaftlicher Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses und Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses, der Auszahlungsanspruch auf die ausgeschüttete Dividende aber erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss und durch denselben begründet. Wird die beschlossene Dividendenforderung stehen gelassen, kann sie sich nach einheitlicher Auffassung in eine darlehensgleiche Forderung verwandeln. Das auf dem Privatkonto des Beklagten befindliche Guthaben, zu dessen Lasten die Zahlung der 250.000 € vorgenommen worden war, stellte eine schuldrechtliche Forderung des Beklagten gegen die Schuldnerin dar. Diese Forderung hat der Beklagte für mehr als acht Monate auf seinem Privatkonto stehen gelassen, so dass es sich bei der Auszahlung der 250.000 € um die Rückgewährung einer Forderung, die einem Darlehen wirtschaftlich entspricht (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), handelte.
Mit der Beschlussfassung über die Verwendung des ausgewiesenen Jahresgewinns für das Geschäftsjahr 2012 in der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin und der Komplementär-GmbH am 24.4.2013 ist ein selbständiger Gewinnanspruch des Beklagten entstanden, welcher als eigenständige Forderung seinem Vermögen zuzuordnen ist. In Umsetzung des Gewinnverwendungsbeschlusses wurde der Anteil des Beklagten am Jahresüberschuss für das Geschäftsjahr 2012 i.H.v. rd. 400.000 € auf sein Privatkonto gebucht, welches zum 31.12.2012 sodann ein Guthaben von rd. 730.000 € auswies. Dieses Guthaben wurde auch nicht durch den im Geschäftsjahr 2013 erzielten Verlust der Schuldnerin verringert. Das auf dem Privatkonto des Beklagten vorhandene Guthaben ist als schuldrechtliche Forderung des Beklagten gegen die Schuldnerin und nicht als Ausweis seiner Beteiligung an der Schuldnerin zu qualifizieren. Führt eine Kommanditgesellschaft wie hier für ihre Kommanditisten mehrere Konten mit verschiedenen Bezeichnungen, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln, welche Rechtsnatur diese Konten haben. Dabei ist die Bezeichnung des Kontos für sich gesehen nicht für die rechtliche Qualifikation ausreichend. Maßgeblich ist vielmehr der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Wille der Gesellschafter und der mit der Einrichtung des Kontos verfolgte Zweck.
(BGH v. 17.12.2020 – IX ZR 122/19)