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Wettbewerbswidrigkeit der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln

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11 Okt, 2016
Wettbewerbswidrigkeit der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln

Eine gesundheitsbezogene Angabe ist als (spezielle) gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen, wenn damit ein einem wissenschaftlichen Nachweis zugänglicher Wirkungszusammenhang zwischen einem Nährstoff, einer Substanz, einem Lebensmittel oder einer Lebensmittelkategorie einerseits und einer konkreten Körperfunktion andererseits hergestellt wird. Es ist unerheblich, wenn die Angabe dazu kein medizinisches, sondern ein umgangssprachliches Vokabular verwendet.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb und ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. Im September 2013 hatte sie an interessierte Kunden per E-Mail einen Newsletter versandt, in dem es zu von ihr angebotenen „Repair-Kapseln Premium“ hieß:
Mit der verbesserten Rezeptur und neuen wertvollen Inhaltsstoffen sorgen unsere neuen Repair-Kapseln PREMIUM für eine tolle Haut, fülliges Haar und feste Fingernägel – jetzt noch effektiver – […]
In dem Newsletter befand sich ein elektronischer Verweis auf eine Seite des Internetauftritts der Beklagten, auf der weitere Informationen zu dem Produkt abrufbar waren. Dort war angegeben, dass die „Repair-Kapseln Premium“ Vitamin C, Zink, Vitamin B1 und B2, Niacin, Pantothensäure, Vitamin B6, Folsäure, Biotin, Selen, Kieselsäure sowie weitere Pflanzen und Algenstoffe enthalten.
Im Januar 2014 warb die Beklagte in ihrem Internetauftritt für das Produkt „Herz-As-Kapseln“ mit folgendem Text:
Ihr Herz schlägt permanent. Ein Leben lang – ohne Pause. 65 bis 70 mal in der Minute. Etwa 100.000 mal am Tag. Für uns ist das völlig normal und selbstverständlich – deshalb bekommen wir von dieser Schwerstarbeit auch wenig mit. Dennoch braucht dieses aktive Organ natürlich auch bestimmte Vitalstoffe, die die Herzmuskelzellen „bei guter Laune“ halten können. Wichtige davon sind in „Herz-As“ enthalten.
Zwei Kapseln enthalten u. a.: Omega-3-Lachsöl (22,5 mg), Vitamin C (80 mg), Magnesium (80 mg) und Vitamin E (13 mg). Abgerundet wird die Herz-As-Rezeptur mit verschiedenen B-Vitaminen, Weißdorn, Apfelschalen und Rooibostee.
Nach Ansicht des Klägers handelte es sich bei den Werbeaussagen der Beklagten um spezielle gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die nicht in die Liste der zugelassenen Angaben nach Art. 13 und 14 dieser Verordnung aufgenommen und daher unzulässig sind. Das LG gab der Unterlassungsklage hinsichtlich der Werbung für die „Repair-Kapseln Premium“ statt; das OLG gab ihr im vollen Umfang statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen waren nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG a.F., §§ 8, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 begründet. Demnach waren die Abmahnungen berechtigt und dem Kläger zu Recht die geltend gemachten Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nebst Zinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB zuzusprechen.
Der seit dem 10.12.2015 geltende § 3a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG a.F. enthaltenen Regelung des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestands. Das zuvor in § 3 Abs. 1 UWG a.F. bestimmte Spürbarkeitserfordernis ist nunmehr im Tatbestand des § 3a UWG unmittelbar enthalten. Damit führt diese Vorschrift die zuvor an unterschiedlichen Stellen im Gesetz geregelten Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestands an einer Stelle zusammen.
Bei Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG a.F., § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG a.F., § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Danach sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II (Art. 3 bis 7) und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV (Art. 10 bis 19) der Verordnung entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gem. Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Diesen Anforderungen entsprechen die Werbeaussagen der Beklagten nicht.
Eine gesundheitsbezogene Angabe ist als (spezielle) gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen, wenn damit ein einem wissenschaftlichen Nachweis zugänglicher Wirkungszusammenhang zwischen einem Nährstoff, einer Substanz, einem Lebensmittel oder einer Lebensmittelkategorie einerseits und einer konkreten Körperfunktion andererseits hergestellt wird. Es ist unerheblich, wenn die Angabe dazu kein medizinisches, sondern ein umgangssprachliches Vokabular verwendet. Eine gesundheitsbezogene Angabe, die von den angesprochenen Verkehrskreisen dahin verstanden wird, ein bestimmtes Produkt könne Schäden an Haut, Haaren oder Fingernägeln beseitigen, ist mit den nach der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben, ein bestimmter Nährstoff trage zur Erhaltung normaler Haut, Haare oder Nägel bei, nicht inhaltsgleich und daher unzulässig.
Das Berufungsgericht hatte ferner mit Recht angenommen, dass die in der beanstandeten Werbeaussage enthaltenen Angaben auch deshalb nicht mit zugelassenen Angaben inhaltsgleich sind, weil sie nicht erkennen lassen, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben aufgeführten Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung der „Repair-Kapseln“ beruht. Entsprechendes gilt für die Werbeaussagen der Beklagten für die von ihr vertriebenen „Herz-As-Kapseln“.
(BGH 7.4.2016, I ZR 81/15)