Hat der Gesellschafter der Gesellschaft bereits eine Gesellschafterhilfe als Darlehen gewährt, kommt es für die Umqualifizierung in eine kapitalersetzende Leistung nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht aufgrund der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft nicht darauf an, ob ein zusätzlicher Kreditbedarf der Gesellschaft bestand, sondern darauf, ob die Gesellschaft sich den bereits vom Gesellschafter gewährten Kredit aus eigener Kraft hätte beschaffen können.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 25.1.2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. mbH (Schuldnerin). Alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin ist die F. Beteiligungs-GmbH. Deren Anteile werden von der früheren Ehefrau des Beklagten, seiner Tochter und einer dritten Gesellschafterin zu gleichen Teilen gehalten. Der Beklagte beteiligte sich im Januar 2013 als stiller Gesellschafter an der Schuldnerin. Er leistete Einlagen i.H.v. insgesamt 15,2 Mio. DM. Nach dem stillen Gesellschaftsvertrag standen ihm 95 % des Gewinns der Schuldnerin zu. Seit 1989 war er auch Bevollmächtigter der Gesellschafter. Seine Vollmacht wurde am 7.6.1995 widerrufen und die stille Gesellschaft zum 31.12.1998 beendet.
Der Beklagte gewährte der Schuldnerin auch Darlehenszahlungen von 1989 bis 1992 i.H.v. insgesamt 9,95 Mio. DM. Im April 1992 wurde eine Verzinsung der Darlehen vereinbart. Die Schuldnerin zahlte am 7.12.1999 rd. 1,5 Mio. DM Zinsen an den Beklagten. Die Klägerin und ihr Nebenintervenient – der frühere Geschäftsführer der Schuldnerin – fordern die Rückzahlung der Zinsen auf Grundlage des Eigenkapitalersatzrechts.
Die Klage hatte zunächst vor dem LG und OLG keinen Erfolg. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH mit Urteil vom 24.9.2013, II ZR 39/12 das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Im wiedereröffneten Verfahren änderte das OLG das Urteil des LG ab und wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin und ihres Nebenintervenienten führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Kreditwürdigkeit der Schuldnerin bejaht. Es hat die Voraussetzungen für die Feststellung der Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin am 7.6.1995 verkannt.
Zwar sind die Eigenkapitalersatzregeln grundsätzlich nicht auf stille Gesellschafter anzuwenden. Dies gilt aber dann nicht, wenn – wie hier – ein stiller Gesellschafter atypisch aufgrund vertraglicher Regelungen einem GmbH-Gesellschafter weitgehend gleich gestellt wird. Der Beklagte war zu 95 % am Gewinn und Verlust der Schuldnerin beteiligt und hatte aufgrund der erteilten Vollmacht die Möglichkeit, die Rechte der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung in vollem Umfang auszuüben. Bis zum Widerruf der Vollmacht stand er daher einem Gesellschafter wirtschaftlich gleich.
Zudem muss die Gesellschaft für die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln zum Leistungszeitpunkt kreditunwürdig gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn sie zum maßgeblichen Zeitpunkt keinen marktüblichen Kredit von einem Dritten hätte erhalten können und ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen. Es kommt darauf an, ob die Gesellschaft in der Lage gewesen wäre, den erhaltenen Kredit, der zur Wiederaufnahme und Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich war, aus eigener Kraft zu beschaffen.
Die Kreditunwürdigkeit ist nicht deswegen zu verneinen, weil die Klägerin keinen Kreditbedarf der Schuldnerin vorgetragen hat. Wurde bereits eine Gesellschafterleistung in Form eines Darlehens erbracht, kommt es nicht darauf an, ob ein zusätzlicher Kreditbedarf besteht, sondern nur darauf, ob die Schuldnerin den Kredit aus eigener Kraft hätte beschaffen können. Dass im Streitfall Kreditbedarf bestand, lässt sich an der Höhe der durch die Klägerin gewährten Darlehen von 9,95 Mio. DM erkennen. Die Kreditunwürdigkeit ist auch nicht zu verneinen, weil der Beklagte mit seinem Vermögen hinter der Gesellschaft gestanden und zur Sicherung bereit gewesen ist. Im Streitfall hat die Klägerin hingegen ausreichende Tatsachen dafür vorgetragen, dass die Schuldnerin am Stichtag kreditunwürdig war und die Darlehen des Beklagten daher eigenkapitalersatzrechtlich gebunden waren. Die Schuldnerin sei durchgehend von 1989 bis 2001 in Höhe von mehreren Millionen DM überschuldet gewesen.
(BGH 23.1.2018, II ZR 246/15)