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Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis: Unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers

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13 Sep, 2019
Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis: Unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers

Ein unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers, der unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln ist, kann für die Zukunft grundsätzlich jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden; der Vertrag kann ausnahmsweise für die Zukunft als wirksam zu behandeln sein, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrags an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1) ist eine auf dem Gebiet des Gesundheitswesens tätige GmbH, deren Gesellschafter der Landkreis O ist. Die Beklagte zu 2), eine GmbH, ist deren Tochtergesellschaft, die Beklagten zu 5) und 7), ebenfalls GmbH, sind Töchter der Beklagten zu 2). 1993 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der Beklagten zu 2), 2004 auch zum Geschäftsführer der Beklagten zu 5) und 7) bestellt. Die Anstellungsverträge zwischen den Beklagten zu 5) und 7) und dem Kläger sollten jeweils mit dessen Ausscheiden als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) enden. Im November 2006 wurde die Beklagte zu 1) gegründet, die die Geschäftsanteile der Beklagten zu 2) übernahm. Die Beklagte zu 1) hatte einen Aufsichtsrat, dem die Bestellung und Abberufung sowie Anstellung und Kündigung von Geschäftsführern oblag. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) bestellte den Kläger zum Geschäftsführer, was der Aufsichtsrat nachfolgend bestätigte. Die Anstellung des Klägers sollte mit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) enden.

Mit Vertrag von Januar 2010, den auf Seiten der Beklagten zu 1) Landrat G, der zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender des Aufsichtsrats war, „für den Gesellschafter“ schloss, wurde die Anstellung des Klägers neu geregelt. Nun sollte der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) auch die Geschäftsführung bei der Beklagten zu 2) ausüben, die mit der von der Beklagten zu 1) versprochenen Vergütung entgolten sein sollte. Der Dienstvertrag sollte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmalig zum 31.12.2014 kündbar sein. Unter Bezugnahme auf diesen Vertrag vereinbarten der Kläger und die von diesem vertretene Beklagte zu 2), dass der Anstellungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger mit dessen Ausscheiden als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) enden sollte.

2010 kam es mit dem neu gewählten Landrat R zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der ohne Mitwirkung des Aufsichtsrats geschlossene Anstellungsvertrag von Januar 2010 wirksam ist. Zudem forderte R den Kläger mehrfach vergeblich auf, eine Geschäftsverteilung zu erarbeiten, die die beabsichtige Bestellung eines weiteren Geschäftsführers für die Beklagte zu 1) berücksichtigt. Dies nahm die Beklagte zu 1) zum Anlass, in ihrer außerordentlichen Gesellschafterversammlung deren Zuständigkeit zwischenzeitlich durch Satzungsänderung begründet worden war vom 17.1.2012 die Abberufung und fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Klägers zu beschließen. In gleicher Weise wurde bei den Tochtergesellschaften der Beklagten zu 1) verfahren, darunter neben den Beklagten zu 2), 5) und 7) die frühere Beklagte zu 3) (O-GmbH), die während des ersten Rechtszugs unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Beklagte zu 1) verschmolzen wurde. Eine weitere fristlose Kündigung sprach die Beklagte zu 1) auf Grundlage eines Beschlusses ihrer Gesellschafterversammlung am 6.3.2012 aus, nachdem ein gegen den Kläger wegen Untreue zum Nachteil der Beklagten zu 5) geführtes Strafverfahren gegen Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt worden war.

Die Wirksamkeit dieser Kündigungen und die Fortdauer der Anstellungsverhältnisse sind, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, Gegenstand negativer und positiver Feststellungsbegehren des Klägers. Zudem hat der Kläger im zweiten Rechtszug klageerweiternd Vergütungsfortzahlungsansprüche rechtshängig gemacht, über die er nicht mündlich verhandelt hat. Gegenstand der im zweiten Rechtszug noch rechtshängig gewesenen Widerklagen der Beklagten zu 1), 5) und 7) sind ein Anspruch der Beklagten zu 1) auf Erstattung von Rechtsberatungsvergütung i.H.v. rd. 12.500 € und Ansprüche auf Rückzahlung von ungerechtfertigter Vergütung für die zweite Hälfte des Januars 2012, die die Beklagte zu 1) mit rd. 1.500 € und rd. 650 € (für die O-GmbH), die Beklagte zu 5) mit rd. 650 € und die Beklagte zu 7) mit rd. 400 € beziffert haben.

Das LG wies die Feststellungsklage ab und gab den Widerklagen im Wesentlichen statt. Das OLG gab der Feststellungsklage im Wesentlichen statt und stellte fest, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1) weder durch die Kündigungen von Januar 2012 noch von März 2012 beendet worden ist und auch über den 6.3.2012 hinaus bis zum 31.12.2014, mit der Beklagten zu 2) bis zum 31.7.2012 und mit der O-GmbH und den Beklagten zu 5) und 7) bis zum 31.3.2012 fortbestanden hat; die Widerklagen wies es ab. Die im zweiten Rechtszug klageerweiternd erhobene Klage wies das OLG durch Versäumnisurteil ab; das Einspruchsverfahren ist ausgesetzt. Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg, die des Klägers blieb überwiegend erfolglos. Im Übrigen hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der Begründung des OLG kann der Fortbestand der Anstellungsverhältnisse über den 17.1.2012 hinaus nicht bejaht werden.

Der Anstellungsvertrag von Januar 2010 konnte durch die Beklagte zu 1) für die Zukunft jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden. Das ist durch die Kündigung vom 17.1.2012 geschehen. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) geschlossene Anstellungsvertrag vom 7.1.2010 nicht wirksam geschlossen worden ist. Die Beklagte zu 1) war bei Abschluss des Anstellungsvertrags nicht durch den Aufsichtsrat und deshalb nicht wirksam vertreten, weil diesem nach der Satzung der Abschluss von Anstellungsverträgen oblag. Eine satzungsmäßige Übertragung der grundsätzlich der Gesellschafterversammlung zustehenden Kompetenz zum Abschluss von Dienstverträgen mit Geschäftsführern auf den Aufsichtsrat ist rechtlich unbedenklich.

Unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis ist zwar der Vertrag für die Dauer der Tätigkeit des Klägers so zu behandeln, als wäre er wirksam zustande gekommen. Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage eines unwirksamen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds, ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam. Die Kenntnis von G als Vorsitzendem des Aufsichtsrats von der Einstellung des Klägers reichte danach aus, um rechtserhebliches Wissen der Beklagten zu 1) zu begründen.

Ein unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers, der – wie hier – unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln ist, kann für die Zukunft grundsätzlich jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden; der Vertrag kann ausnahmsweise für die Zukunft als wirksam zu behandeln sein, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrags an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. In der Weigerung eines Geschäftsführers, Gesellschafterweisungen nachzukommen, liegt eine Verletzung dienstvertraglicher Pflichten, die die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags rechtfertigen kann.

(BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16)