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Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden

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14 Sep, 2021
Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden

Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8.2.2019 hatte sie das Arbeitsverhältnis zum 22.2.2019 gekündigt und der Beklagten eine auf den 8.2.2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt.

Die Beklagte hat die Entgeltfortzahlung daraufhin verweigert. Er war der Ansicht, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin hat hingegen geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden.

Arbeitsgericht und LAG haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8.2. bis 22.2.2019 gerichteten Klage stattgegeben. Das BAG hat auf die nachträglich zugelassene Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8.2. bis 22.2.2019.

Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist zwar das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber aber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8.2. zum 22.2.2019 und der am 8.2. bis 22.2.2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – allerdings nicht hinreichend konkret nachgekommen.

BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21