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Berechnung der Entlassungsentschädigung während Elternzeit erfolgt auf Grundlage des Vollzeitentgelts

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28 Mai, 2019
Berechnung der Entlassungsentschädigung während Elternzeit erfolgt auf Grundlage des Vollzeitentgelts

Die Berechnung der einem Arbeitnehmer in Elternurlaub zu zahlenden Entschädigungen für die Entlassung und die Wiedereingliederung muss auf der Grundlage des Vollzeitentgelts erfolgen. Eine nationale Regelung, die hiergegen verstößt, führt zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Zum Zeitpunkt einer Massenentlastung, die auch die Klägerin betraf, befand sich diese im Erziehungsurlaub in Form einer Reduzierung der Arbeitszeit. Sie erklärte sich mit einem neunmonatigen Wiedereingliederungsurlaub einverstanden. Kurze Zeit später verzichtete sie auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit und verließ das Unternehmen endgültig.

Daraufhin wendete sie sich gegen die Modalitäten der Berechnung ihrer Entlassungsentschädigung und der Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub, die ihr im Rahmen ihrer während ihres Elternurlaubs in Teilzeit erfolgten Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen gezahlt wurden.

Der zuständige französische Kassationsgerichtshof fragte im Zuge des Verfahrens den EuGH, ob die Rahmenvereinbarungen über den Elternurlaub der EU dem entgegensteht, dass die Entlassungsentschädigung und die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub zumindest teilweise auf der Grundlage des verringerten Entgelts berechnet werden, das der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung erhält. Zudem fragte er den EuGH, ob soweit sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dazu entschließt, einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch zu nehmen, die sich daraus ergebende mittelbare Diskriminierung nicht gegen Art. 157 AEUV verstößt, der den Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit betrifft.

Die Gründe:
Die Berechnung der einem Arbeitnehmer in Elternurlaub zu zahlenden Entschädigungen für Entlassung und Wiedereingliederung muss auf der Grundlage des Vollzeitentgelts erfolgen.

Die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub steht einer nationalen Bestimmung entgegen, die dazu führt, dass das verringerte Entgelt, das der Arbeitnehmer in einem Elternurlaub auf Teilzeitbasis zu dem Zeitpunkt bezieht, in dem ihm gekündigt wird, berücksichtigt wird. Die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub soll Maßnahmen schaffen, die es Männern und Frauen ermöglichen sollen, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen. Sollte die Entlassungsentschädigung eines Arbeitnehmers bezüglich seines aufgrund der in Anspruch genommenen Elternzeit reduzierten Entgelts beruhen, würde dies einen Arbeitnehmer davon abschrecken, in Elternzeit zu gehen und einen Arbeitgeber dazu verleiten, eher Arbeitnehmer in Elternzeit zu entlassen, weil dies für ihn billiger wäre. Eine Leistung wie die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub muss ebenso vollständig auf der Grundlage des Entgelts berechnet werden, das für die von diesem Arbeitnehmer in Vollzeit erbrachten Leistungen zu zahlen wäre.

Die in Rede stehende Regelung ist zudem nicht mit dem Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, wie dieser in Art. 157 AEUV vorgesehen ist, vereinbar. Es liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, da die nationale Maßnahme zwar geschlechterneutral formuliert ist, in ihrer Anwendung jedoch tatsächlich wesentlich mehr weibliche als männliche Arbeitnehmer betrifft. Das französische Gericht führte im Rahmen der Vorlage aus, dass in Frankreich 96% der Arbeitnehmer, die einen Elternurlaub nähmen, Frauen seien. In einem solchen Fall ist eine nationale Regelung wie die französische mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nur vereinbar, wenn die auf diese Weise zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewirkte Ungleichbehandlung möglicherweise durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt werden kann. Ein solcher Faktor wird von dem betroffenen Mitgliedstaat jedoch nicht geltend gemacht.

(EuGH v. 8.5.2019 – C-486/18)