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Massenentlassung: Arbeitgeber dürfen Konsultationsverfahren bei fehlender Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats beenden

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11 Okt, 2016
Massenentlassung: Arbeitgeber dürfen Konsultationsverfahren bei fehlender Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats beenden

Arbeitgeber dürfen das im Vorfeld einer Massenentlassung durchzuführende Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten, die an Flughäfen Passagedienstleistungen erbrachte, beschäftigt. Nachdem die einzige Auftraggeberin der Beklagten alle Aufträge zu Ende März 2015 gekündigt und ein Interessenausgleich im Dezember 2014 gescheitert war, leitete die Beklagte ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, ihren Betrieb zum 31.3.2015 stillzulegen. Sie erstattete eine Massenentlassungsanzeige und kündigte sodann sämtliche Arbeitsverhältnisse.
Gegen die Kündigungen klagten einige Arbeitnehmer und hatten hiermit wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich Erfolg. Daraufhin leitete die Beklagte im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des Betriebs. Eine solche kam für sie allenfalls unter der Voraussetzung in Betracht, dass die bisherigen Vergütungen abgesenkt würden. Der Betriebsrat ließ jedoch keine Bereitschaft erkennen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken.
Daraufhin kündigte die Beklagte – nach einer erneuten Massenentlassungsanzeige – die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Mit ihren gegen beide Kündigungen fristgerecht erhobenen Klagen rügte die Klägerin deren Unwirksamkeit und machte hilfsweise einen Anspruch auf Nachteilsausgleich aus § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG geltend. Das LAG erachtete beide Kündigungen für unwirksam. Auf die Revision der Beklagten entschied das BAG, dass nur die erste Kündigung unwirksam war.

Die Gründe:

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin im Ergebnis wirksam gekündigt. Allerdings war die erste von ihr ausgesprochene Kündigung gem. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB nichtig, da sie in der diesbezüglichen Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt hat.
Die zweite Kündigung ist aber wirksam. Die Beklagte hat das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. Sie hat dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken zu können. Die Beklagte durfte die Verhandlungen auch als gescheitert ansehen, da der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassung signalisiert hatte.
Die Beklagte hat die zweite Massenentlassungsanzeige zudem zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet, da sie seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt. Die zweite Kündigung war auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen. Sie hat damit i.S.v. § 113 Abs. 3 BetrVG einen „Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht“.
(BAG 22.9.2016, 2 AZR 276/16)